Nun ist die erste Woche der diesjährigen Tour de France auch schon wieder rum. Es gab viele Überraschungen und einige Bestätigungen der vorherigen Erwartungen. Vor allem aber war es aus meiner Sicht sehr emotional, was sich da im Süden Frankreichs zutrug. Hier ein kurzer Rückblick.
Eine andere erste Woche
Das Profil dieser Woche war mal etwas anderes. Berge gleich zu Beginn und wenige Sprints. In letzteren haben die Sprint-Asse Caleb Ewan und Wout van Aert gezeigt, wie pfeilschnell sie sind. Besonders waren aber wirklich die schon sehr schweren Bergetappen, die für den Tour-Auftakt eher ungewöhnlich sind. Die Favoriten mussten sich zeigen, wobei einiges Unvorhersehbares passierte. Mit Guillaume Martin in unmittelbarer Schlagdistanz (28 Sekunden) zu Gelb hat wohl niemand ernsthaft gerechnet. Mit Yates und Roglic aber schon, die ihre Klasse zeigten. Auch Bernal hat sich bisher stark, aber noch eher zurückhaltend gezeigt. Mit Nairo Quintana und Romain Bardet haben eigentlich schon lange für den Tour-Sieg Abgeschriebene aber auch aufhorchen lassen. Durch ein Tal der Tränen muss leider Thibaut Pinot gehen. Der Franzose gilt immer wieder als größte Hoffnung der Grand Nation – und wird regelmäßig vom Pech heimgesucht. Wie schon in den vergangenen Jahren stürzte er auch dieses Jahr früh im Rennen. Gestern musste er in den Pyrenäen abreißen lassen und hat nun mehr als zehn Minuten Rückstand. Grund sind schon wieder Verletzungen, die ihn ausbremsen. Sichtlich angeschlagen gab er im Interview bekannt, dass er nicht wisse, ob er nochmals bei der Tour antrete. Was äußerst schade wäre.
Totgesagte leben länger?
Ins Hintertreffen sind leider auch Emanuel Buchmann und Julian Alaphilippe geraten. Alaphilippe verlor das Gelbe Trikot durch einen wahrlich doofen Zwischenfall: er nahm 17 Kilometer vor dem Ziel eine Trinkflasche an, wofür er 20 Sekunden Zeitstrafe kassierte. Verpflegt werden darf nur bis 20 Kilometer vor dem Zielstrich. Ärgerlich! Mit 41 Minuten Rückstand ist ein (eh immer sehr unwahrscheinlich gewesener) Gesamtsieg verloren. Dafür wird sein Sieg auf der zweiten Etappe für immer unvergessen bleiben. Besonders die Tränen im Ziel, die seinem erst kürzlich verstorbenen Vater galten.
Emu Buchmann ist wohl nach seinem Sturz bei der Dauphiné-Rundfahrt noch nicht wieder voll auf dem Damm. Er verlor auf den beiden Bergetappen am Wochenende mehr als fünf Minuten. Von Platz 18 im aktuellen Klassement aus wird es wohl sehr schwer werden, nochmal das Podium anzugreifen. Aber es liegen noch zwei Wochen vor uns. Da ist für jeden Pedaleur noch alles möglich. Buchmann und Alaphilippe könnten nun zu den Fahrern gehören, die auf Jagd nach Etappensiegen in den Bergen gehen. Ebenso könnten sie das Gepunktete Trikot attackieren. In Paris als bester Bergfahrer anzukommen, wäre doch auch phantastisch. Allez!
Never change a winning Team?
Bemerkenswert an dieser Woche ist aber vor allem die Wachablösung an der Spitze des Pelotons. Das über Jahre hinweg dominante Team Ineos Grenadiers (vormals Sky) wurde von Jumbo Visma abgelöst. Die Mannen um Primoz Roglic führen das Feld souverän an und kontrollieren das Geschehen. Tony Martin ist eine unermüdliche Lokomotive und auch am Berg beschützen sie ihren Kapitän hervorragend. Egan Bernal (Ineos) kann darauf nicht bauen. Er ist zumeist alleine, wenn es in die heiße Phase geht. Im Trikot des besten Jungprofis fahrend, lässt der Vorjahressieger aber nichts anbrennen. Fraglich ist auch, ob ein Chris Froome ähnlich wie Tom Dumoulin als Edelhelfer angetreten wäre. Dumoulin hat bereits selbst den Giro gewonnen, fährt jetzt aber voll in Diensten Roglics. Auch das verdient großen Respekt und Anerkennung.
Wie geht’s weiter?
Diese erste Woche war wirklich spannend und hat viele interessante Geschichten erzählt. In der kommenden Woche erwarten uns mehrere Flachetappen an der Atlantikküste. Ob da der Wind ein Thema wird? Bergig wird es besonders wieder zum Wochenende. Die Bergankunft am Grand Colombier wird erneut die Gesamtfavoriten auf den Plan rufen.
Das momentan alles bestimmende Thema fährt weiter mit: Corona. Die Zuschauer stehen besonders an den Bergen dichtgedrängt und häufig ohne eine Maske zu tragen. Hoffen wir, dass mehr Vernunft einkehrt und alle gesund bleiben. Kein Radrennen ist so wichtig, wie die Gesundheit. Nicht einmal das Rennen um das Gelbe Trikot.