Der Start der Tour de France 2020 hatte alles, was echtes Drama ausmacht. Unvorhersehbare Wendungen, handfeste Konflikte und eleos und phobos – Jammer und Schauder. Rund um Nizza haben die ersten beiden Etappen für ordentlich Gesprächsstoff gesorgt.
Ein Tag für die Sprinter?
Das Profil der diesjährigen Tour kommt eher den Bergspezialisten entgegen. Wenn die erste Etappe kein Zeitfahren ist, ist sie normalerweise eine reine Flachetappe, die mit einem Massensprint endet. Nicht so dieses Jahr. Die Tour-Organisatoren um Christian Prudhomme schickten das Peloton auf einem Rundkurs um Nizza über teils längere und steile Rampen. Das machte den Favoriten auf den Tagessieg ordentlich zu schaffen. Hinzu kam das regnerische Wetter, das zu glatten Straßen und damit vielen Stürzen führte. Leider hat es auch John Degenkolb erwischt, der die Rundfahrt beenden musste. Gute Besserung! Einige Fahrer waren trotzdem nicht bereit, ihre Fahrweise an die Witterung anzupassen. Besonders die Jungs von Astana wollten Rennen fahren. Ihren Gesamtsieg-Kandidaten Miguel Angel Lopez wäre das beinahe teuer zu stehen kommen, als er abfahrend in eine Verkehrsinsel prallte. Tony Martin brachte das so sehr in Rage, dass er sich an die Spitze des Feldes setzte und mit seiner gesamten Autorität das Peloton bremste. Vernünftig! Den Tagessieg und damit das Maillot Jaune holte sich im Sprint Alexander Kristoff.
Wenn Sport zur Nebensache wird
Die zweite Etappe sollte einer handfesten Mittelgebirgsetappe gleichen. Zwei Mal erste Kategorie bedeuten für Sprinter schon echtes Leid und für die Favoriten, dass man sich zeigen muss. Du kannst die Tour nicht an einem Tag gewinnen, aber verlieren sehr wohl. So kam es zu einer Fluchtgruppe, in der Peter Sagan voll zum Angriff auf das Grüne Trikot des besten Sprinters blies. Am letzten Anstieg ging dann Julian Alaphilippe auf und davon. Mit einem beherzten Antritt ließ er die Konkurrenz hinter sich und sicherte sich den Etappensieg sowie das Gelbe Trikot. Wie zuletzt beschrieben, ist Alaphilippe mein Lieblingsfahrer. Gestern zeigte er erneut warum. Neben seinem Talent als Radfahrer ist es seine Authentizität und die Fähigkeit, Gefühle zu zeigen. Julian brach im Ziel in Tränen aus. Im Juni war sein Vater verstorben, dem er den Sieg widmete. Im Interview brachte er sichtlich bewegt alles auf den Punkt, was einen wahren Champion ausmacht: „Es erfüllt mich mit Stolz. Das Gelbe Trikot zu tragen, ist eine große Verantwortung, ich werde es jeden Tag verteidigen. Ich widme es meinem verstorbenen Vater“.
*Das Beitagsbild stammt von Julian Alaphilippes Instagram-Account: @alafpolak